1.
Im Paradies
Im Licht der Tagessterne,
dort bei den sanften Hügeln
erwartest du mich.
Ich durchmesse die Luft
mit geflügelten Fersen.
An allen Kreuzen hast du
Zeichen für mich aufgestellt.
Schläfrigen Blicks
zwischen Halmen und Moos
rastet ein Löwe am Weg.
Im Schatten der Bäume
lege ich müde und furchtlos
mein Antlitz ins Fell
seiner Pranken.
Mich weckt der
Klang deiner Stimme.
Träumend sah ich dich warten.
Dein Blick war so sanft wie die
Strahlen der Sonne am Abend.
Am Horizont schimmern Hügel.
Es ist Zeit dass ich komme.
Der Löwe geht weiter mit mir.
Wir haben den gleichen Weg.
Wir trinken zusammen
das Wasser derselben Quelle.
Es schmeckt uns süß. Vor den Hügeln
legt er sich nieder und wartet.
Ich nicke ihm zu.
Endlich! Vom Abendlicht glüht
die Kette der Berge.
Dahinter steht freundlich der Mond.
Ich rufe nach dir.
Du breitest die Arme aus.
In versinke darin wie die Sonne
am glutroten Himmel.
Die Nacht bleibt hell und lau.
Geschliffenen Opalen gleich
schimmern die Linien meines Beckens
vor deinem Leibe.
Unten am Weg hat der Löwe
die Lider gesenkt.
Bernsteinfarben sein Auge.
Februar 2003
2.
Vertreibung aus dem Paradies
Eigentlich haben wir es immer gewusst,
auch ich:
Es würde vorübergehen:
Der Aufenthalt im Paradies
ist jeweils nur für ein,
zwei Monate gestattet.
Jedoch:
So überzeugend war sie, die Vision,
dass deine Liebe mich
für immer tragen könnte
auf diesem goldnen Schild
als Siegerin durch alle bösen Winde.
Und sie war so bestechend,
die Erfahrung, wie nun mein Herz
so himmelgroß geworden war:
du fandest darin reichlich Platz
mit allen deinen Jahren,
mit allen deinen Schwächen.
Nun floss das Leben
wie in meinen Träumen.
Die Zeit davor,
es waren alles nur Entwürfe.
Ich hätte wissen müssen,
dass es so nicht ist.
Dann standen wir
am nie verschwiegenen Tor.
Es war soweit. Wir mussten gehen.
Ich fiel herab vom sicheren Schild
Und fühlte, wie mein Herz
sich eng zusammenzog und fror.
Du aber gingst
mit leichtem Fuß hindurch,
vergnügt, so schien es mir
und ohne Zögern,
den Blick gerichtet auf die helle Sonne,
die draußen auf die
Dornenfelder scheint.
Schickt mich nicht fort
aus dieser glücklich sanften Trunkenheit!
Die Sonne draußen,
sie hat kein Erbarmen.
Sie liebt mich nicht. Sie wird mich töten,
eh der erste Abend kommt.
Ich klammre mich verzweifelt
an das Gitter.
Aber der Engel und du,
ihr verweigert mir den
Verbleib im Paradies.
Ich habe verloren
September 2004
3.
Nach der Vertreibung
Seit Tagen schaue ich von weitem zu,
wie du mit unermüdlicher Geduld
die Dornenfelder rodest und bewässerst.
Du kommst am Abend heim,
bist müde und zerkratzt. Dein Auge strahlt.
Wie kannst du glücklich sein?
Vor meinen Augen schläfst du ein,
erschöpft. Ich nehme dich in meine Arme und
streiche sanft dir über deine Wange.
Und sehe zu, wie du dein Leben
ohne jedes Zögern verschwendest
und verbrauchst. Wozu?
Dein zäher Dornenkampf,
die Freude über deine Siege,
sie lassen dich vergessen
unser Paradies
und alles das,
was du verloren hast.
Ich bin gefolgt und starre traurig
in die Dornen. Was soll ich hier?
Du machst mir Angst.
Ich will in dieser Welt nicht leben.
Was kann denn schön sein hier,
wo alles sterblich ist?
November
2003